Die Freie Presse Chemnitz stellt in der Ausgabe vom 28. März die Frage: „Warum sagt sie nichts?“ und kritisiert damit, dass sich die Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig wiederholt nicht ausreichend zu Vorkommnissen in der Stadt positioniert habe.
Es ist mir als Stadtrat und Abgeordneter des Sächsischen Landtags ein Bedürfnis, auf diese Darstellungen zu reagieren – nicht aus parteipolitischen Loyalitäten heraus, sondern weil ich eine weitere Perspektive in die Debatte bringen möchte.
Als Politiker stehen wir mit unseren Äußerungen, mit unserem Verhalten und unserem Auftreten in der Öffentlichkeit. Als Personen des öffentlichen Interesses stehen wir unter besonderer Beobachtung der Medien und der Bevölkerung. Unser Agieren wird öffentlich kommentiert und bewertet – oft auch unsachlich (Fragen der Kleidung) und weit über das hinaus, was unsere Kompetenzen und unser politisches Handeln anbelangt. Dieses Leben in der Öffentlichkeit haben wir mit unserem politischen Engagement akzeptiert.
Gleichwohl ist der Politiker immer eine Projektionsfläche für Hoffnungen, Erwartungen sowie für Enttäuschungen und leider auch immer mehr Hass, wenn Entscheidungen nicht im Sinne des Einzelnen getroffen werden. Dabei sind wir uns stets bewusst, dass es fast immer gute Argumente für und gegen ein Anliegen gibt, für und gegen ein bestimmtes Auftreten, für und gegen eine öffentliche Positionierung und wiegen diese nach bestem Wissen und Gewissen ab. Ich bin darum überzeugt: Um das politische Handeln oder Auftreten fair bewerten zu können, muss man diese Abwägungsprozesse nachvollziehen.
Barbara Ludwig setzt sich seit Jahren für die Gesprächskultur in der Stadt Chemnitz ein: Mit regelmäßigen Bürgersprechstunden im Rathaus und Einwohnerversammlungen ist sie schon seit ihrem Amtsantritt für die Bürgerinnen und Bürger direkt ansprechbar. Wiederholt hat Sie darüber hinaus in schwierigen Situationen die Initiative ergriffen und zusätzliche Dialogveranstaltungen durchgeführt: Während der Flüchtlingskrise 2015/16, als die Stadt Flüchtlingsunterkünfte einrichten musste, genau, wie nach dem Abbruch des Stadtfests 2018, als sie viele Verantwortungsträger an einen Tisch ins Chemnitzer Stadion brachte, damit die Bürgerinnen und Bürger ihre Anliegen direkt an die zuständigen Institutionen adressieren konnten. Hinter anderen Persönlichkeiten weggeduckt hat sich Barbara Ludwig dabei nie. Zwar waren diese Gespräche nie leicht, oft hoch emotional und konfrontativ. Aber dennoch versuchte die Oberbürgermeisterin in solchen Situationen stets zu vermitteln, die Debatte zu versachlichen, zu erklären und Anregungen aufzunehmen, um nicht nur reine Symbolpolitik zu betreiben.
Ihre eigene politische Haltung bringt die Oberbürgermeisterin indes immer wieder und unmissverständlich zum Ausdruck, wie etwa am 2. September 2018, als Sie auf dem Chemnitzer Marktplatz öffentlich über die Vorfälle vom August sprach. In ihrer Rede reichte sie all jenen die Hand, die ehrliche Trauer empfanden und sich aufrichtig Sorgen machten und erteilte zugleich jeglicher Form von Gewalt, Rassismus und Selbstjustiz eine Absage. An diesem Tag, wie an anderen Tagen auch, machte Sie deutlich: Die Berichte zu den Vorkommnissen in Chemnitz, die wir heute in allen Medien sehen, lesen, hören und allzu oft bedauern, weil sie oft ein verzerrtes Bild der Stadt zeichnen, entstehen wenn wir allzu schnell urteilen, ohne uns die Zeit zu nehmen, verschiedene Perspektiven zu hören. Dass sie selbst sich diese Zeit nimmt ist folgerichtig, aus meiner Sicht kein Manko, sondern zeugt von Besonnenheit. Auch jetzt, wo nach der Trauerzeremonie für einen Neonazi im Stadion des Chemnitzer FC die Ermittlungsbehörden noch ermitteln, ist diese Besonnenheit wieder gefragt.