Jörg Vieweg ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Selbstständigen in der SPD-Sachsen. Aufgabe der AGS-Sachsen ist es, innerhalb der SPD für die Interessen der Kleinen und Mittelständischen Unternehmen die notwendige Aufmerksamkeit zu erreichen.
Die Coronakrise hat Sachsen fest im Griff. Händler, Gastronomen, Kulturschaffende und viele andere Unternehmerinnen und Unternehmer befinden sich im Ungewissen und wüssten gern, wie es weiter geht. Zum jetzigen Zeitpunkt einen genauen Zeitplan vorzugeben, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Zwar kann man mittels verschiedenster Vergleichsdaten aus den vergangenen Jahren versuchen, den Zeitraum für die meisten Lockerungen einzuengen und seine Hoffnungen grob auf einen Bereich Ende März legen, aber ein fest planbares Datum kann niemand benennen.
Sicher ist aber, dass die Weichenstellungen der kommenden Monate die wirtschaftliche Entwicklung Sachsens nachhaltig prägen werden.
Dafür Bewusstsein zu generieren, ist für die politische Arbeit mindestens genauso wichtig wie die jetzt notwendigen Planarbeiten.
Wir müssen uns jetzt vorbereiten!
Da wäre zum einen die Situation in der Gastronomie, die normalerweise in den Monaten Oktober-Dezember einen finanziellen Puffer anlegen kann, um die Flautezeit im Januar-März zu überbrücken. Dieser Puffer fehlt dieses Jahr, was wiederum dazu führt, dass aktuell ganz viele Wirtinnen und Wirte an der Grenze zur Insolvenz wandern bzw. diese bereits durchlaufen. Click & Collect ist für die meisten Gastronomen keine Option, da der Wareneinsatz, die Haltbarkeit der Lebensmittel, die instabile Bestellsituation und Mindermengenzuschläge im Einkauf kaum ein profitables Arbeiten ermöglichen, solange die Türen zu sind.
Hier ist eine Komplettöffnung der einzige Weg und dieser sollte direkt in der ersten Lockerungsphase beschritten werden. Es reicht nicht aus, auf die Inzidenzwerte zu schauen – wir müssen auch anerkennen, mit welchem Aufwand sich die Gastronomie vor Ort im eigenen Unternehmen engagiert, um Hygieneregeln einzuhalten.
Aber auch die Kulturschaffenden befinden sich in einer Sondersituation, denn wenn der Lockdown beendet wird, stehen 4-6 Monate vor der Tür, in welchen sich die Veranstaltungen quasi Schulter an Schulter durch die Städte drängeln werden. Das führt zwangsläufig dazu, dass sie sich gegenseitig die Besucher wegnehmen und dadurch in eine Anschlusskrise schlittern. Um diese abzumildern bzw. auszugleichen, sollten Kommunen jetzt ihre Sommer, Herbst- und Wintersaison vorausschauend planen. Großevents, Bürger- und Straßenfeste sind dabei genauso zu berücksichtigen wie Kleinkunst, freie Kulturszene und Nachwuchskünstler. Dabei sind kreative Ideen gefragt: Wie wäre es beispielsweise mit der Vergabe von Kulturgutscheinen – ähnlich den Bildungsgutscheinen. Dies könnte den „Kulturkonsum“ stärken und gleichzeitig Menschen an kulturelle Veranstaltungen heranführen, die sonst weniger in den Genuss kommen würden.
Der Einzelhandel hat in den letzten Wochen viel an die Onlinekonzerne verloren. Alle werden sie den Sommer über schwer kämpfen, um die ausgefallenen Umsätze zu regenerieren, und damit steigt das Risiko eines Preiskampfes, der im Zusammenspiel mit den fehlenden Einnahmen aus dem Weihnachtsgeschäft große Teile des mittelständigen Handels in eine existentielle Krise bringen könnte. Ein Ansatz, dem entgegen zu wirken, könnte – in einem ersten Schritt – die Zulassung von Click&Collect-Konzepten sein. Darüber hinaus sollten Fördermittel für den Aufbau von Online-Strukturen für Kleinhändler vergeben werden, denn es ist unwahrscheinlich, dass die Kunden ihr neues Kaufverhalten vollständig aufgeben werden.
Die kommenden Monate werden daher zum Fenster der Möglichkeiten: Weiter wie bisher oder Wandel und Erneuerung.
Die wichtigste Aufgabe der Sächsischen Landesregierung in diesem Jahr ist darum die Bewältigung und Aufarbeitung der Folgen der Coronakrise. Sie ist mit aller Kraft anzugehen, damit den Betroffenen in allen Bereichen der sächsischen Wirtschaft, in Handel, Handwerk, Gastronomie, Kultur oder Fertigung, die Möglichkeit eröffnet wird, ihre erfolgreiche Arbeit wieder aufzunehmen.